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26. August 2021

Das große Sommer-Interview mit Bodo Grimm – Gründer der Unternehmen CombiPlus und Combi-Connect.

Wie CombiPlus- und Combi-Connect zum Vorreiter der Software-Entwicklung für das Kfz-Sachverständigenwesen und das Schadenmanagement wurden.

Das Gespräch mit Bodo Grimm (BG) führte Katja Lafferenz (KL), Leitung Marketing CombiSystems am 29.07.2021 in Winnenden.

KL: Guten Tag Herr Grimm, gut schauen sie aus. Wie geht es Ihnen?

BG: Mir geht es gut Frau Lafferenz, vielen Dank. Ich frage mich nur, was Sie ausgerechnet von mir Spannendes erfahren wollen?

KL: Also die Idee ist ganz einfach. In unseren regelmäßigen Newslettern für unsere Kunden und Partner sowie auf den Websites berichten wir über unsere neuen Produkte, zeigen wie sie in der Praxis den Kfz-Sachverständigen und Versicherungen die Arbeit erleichtern. Ihre beiden Söhne Stefan und Sebastian äußern sich regelmäßig zu unterschiedlichen Themen. Wir dachten, es wäre interessant, auch deren Vater und Gründer von CombiPlus und Combi-Connect einmal zu Wort kommen zu lassen.

BG: Jetzt verstehe ich. Na dann schießen Sie mal los. Was wollen Sie von mir wissen?

KL: Am besten Sie erzählen alles mehr oder weniger der Reihe nach, ein paar kurze Worte zu Ihnen und wie alles angefangen hat vielleicht vorab.

BG: Also, aufgewachsen bin ich im Badischen, genauer gesagt in der Kurpfalz, in Schwetzingen, wie man vielleicht heraushören kann. Nach dem Abitur war ich für zwei Jahre bei der Bundeswehr, danach habe ich vier Semester Mathematik und Physik studiert in Heidelberg. Während der Studienzeit habe ich mich schon auf eine Fahrlehrerprüfung vorbereitet. Ich wollte unbedingt selbstständig sein, Geld verdienen. Irgendwann musste ich mich jedoch entscheiden. Ich habe mit dem Studium aufgehört und eine Stelle als angestellter Fahrlehrer in Dortmund angenommen.

KL: In Dortmund, das wusste ich noch nicht. Und wie ging es dann weiter?

BG: In Dortmund habe ich mich nach zwei Jahren selbständig gemacht mit einer eigenen Fahrschule. Weitere zwei Jahre später lernte ich einen Unternehmer aus Fellbach kennen über ein Inserat in einer Fachzeitschrift. Er hatte eine Serviceleistung für Fahrschulen im Angebot, die mich aufhorchen ließ. Die Idee war, eine Leistung anzubieten als Verrechnungsstelle, so ähnlich wie das bei Ärzten der Fall ist.

KL: Was heißt das genau, können Sie uns das in kurzen Worten erklären?

BG: Nun ja, klassisches Factoring eben. Er kaufte die monatlichen Forderungen der Fahrschulen auf und zog sie im eigenen Namen ein. Am Monatsende zahlte er die angefallene Gesamtforderung unter Einbehaltung einer Marge unabhängig vom Geldeingang an die Fahrschulen aus. Zusätzlich lieferte er auch noch diverse Aufzeichnungs-leistungen. So wie er auftrat dachte ich, die Sache ist bereits am Markt etabliert und läuft. Weit gefehlt. Er hatte bisher nur einen Kunden – der zweite war ich. Außerdem hatte er noch einen zusätzlichen Job. Er verkaufte Hard- Software von amerikanischen Unternehmen, die damals am Markt waren. Das Factoring-Geschäft für Fahrschulen wollte er nebenher aufbauen und mich dafür gewinnen. Ich fand das hochinteressant.

KL: Das finde ich auch Herr Grimm. Aber ging das denn so nebenher bei Ihnen? Immerhin waren Sie ja mit einer eigenen Fahrschule beschäftigt.

BG: Ja, das ging. Es war eine Menge Arbeit, aber ich habe mich voll reingekniet. Eine ganze Zeit lang konnte ich mit meiner Fahrschule nebenbei für ihn arbeiten, Kaltakquise starten und verschiedene Fahrschulen gewinnen. Es wurde tatsächlich eine Erfolgsstory.

KL: Ich stelle mir das als eine große Herausforderung vor, zwei Sachen auf einmal aufbauen. Auch sehr anstrengend auf Dauer, oder?

BG: Darüber habe ich mir damals keine großen Gedanken gemacht, denn ich war es ja schon aus der Studienzeit gewohnt, an mehreren Sachen gleichzeitig zu arbeiten. Aber Sie haben sicher Recht. Im Nachhinein betrachtet wurde damals mein Unternehmersinn so richtig geweckt, weil einfach viel möglich war und ja auch ins Laufen gekommen ist. Folgerichtig bekam ich das Angebot auch als Gesellschafter mit einzusteigen. Nach sieben Jahren Fahrschule habe ich sie verkauft und mich als tätiger Gesellschafter vollkommen in dieser Firma engagiert.

KL: Wie war der Name der Firma?

BG: Die Firma hieß DVF, Deutsche Verrechnungsstelle für Fahrschulen und war in Fellbach angesiedelt. Von zunächst kleinen Umsätzen sind wir dann auf Jahresumsätze von 60 Millionen D-Mark gekommen. Vom Zeitgeist her lag das in der Luft, es wurde gewünscht und wir haben es gemacht. Konsequenterweise bin ich dann auch von Dortmund nach Winnenden gezogen.

KL: Und die Erfolgsgeschichte ging hier in Süddeutschland weiter?

BG: Im Grunde genommen schon. Allerdings gab es im Laufe der Zeit immer mehr Ungereimtheiten und verschiedene Auffassungen, wie das Geschäft erfolgreich weiter betrieben werden sollte. Letztendlich führte das zur Trennung. Ich sah meine Zukunft anderswo. Das Positive daran: ich habe auf diesem Wege einen hervorragenden Juristen mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Steuerrecht kennengelernt, der mich in dieser Sache vertreten hat und mich auch die folgenden 30 Jahre lang juristisch begleitet hat. Ich bin dann 1981 auf meinen eigenen Wunsch hin mit einer guten Abfindung aus der DVF ausgeschieden.

KL: Und sind Sie dann wieder zurück in den Fahrschulbetrieb gewechselt? Wäre ja naheliegend, oder?

BG: Nein, ein Zurück war für mich keine Option. Es kam alles ganz anders. In den letzten Monaten bei der DVF habe ich einige Kfz-Sachverständige kennengelernt, die damals Fahrschulunterricht erteilten und auch Gutachten erstellten. Und da habe ich gesehen, wie altmodisch die noch gearbeitet haben. Es gab noch gedruckte Abo-Hefte von DAT mit Kfz-Kalkulationsdaten, die der Gutachtenerstellung dienten. Ich war zu dem Zeitpunkt bereits vollkommen auf EDV gepolt. Mir kam daraufhin die Idee, eine Verrechnungsstelle für Kfz-Gutachter auf die Beine zu stellen, ähnlich wie Jahre davor für Fahrschulen. Mit dem Abfindungsgeld konnte ich eine neue Firma gründen. Das war in München, genauer gesagt in Schwabing, direkt hinter der Siegessäule.

KL: So langsam zeichnet sich hier für mich ein geschäftliches Schema oder Muster ab Herr Grimm.

BG: Wie soll ich das verstehen Frau Lafferenz?

KL: Naja, dem Reiz einer neuen Idee folgen, diese dann ausreizen bis zu einem gewissen Grad, sich mit Widrigkeiten rumschlagen, aber nie geschlagen geben, sondern immer wieder aufstehen und vergangene Erfahrungen neu interpretieren, zu etwas Neuem verwerten. So kommt mir das vor. Ein Stehaufmännchen, wenn Sie mir die Bezeichnung erlauben.

BG: Wenn Sie das so sagen, da ist schon was dran, eins kommt zum anderen, das war auf jeden Fall so. Apropos Widrigkeiten. Zwei Jahre lang konnte ich das Geschäft erfolgreich auf- und ausbauen, bis mir dann die Versicherungen große juristische Steine in den Weg gelegt haben. Es war ja so, nochmal zum Verständnis: ich kaufte die Haftpflicht-Forderungen von Kfz-Sachverständigen auf und machte sie geltend gegenüber Versicherungen und zahlte die Kfz-Sachverständigen vorher aus.

KL: Verständlicherweise reagierten die Versicherungen da entsprechend, kann ich gut nachvollziehen. Und konnten Sie überhaupt als kleines Unternehmen, dem etwas entgegensetzen?

BG: Nur bedingt, muss ich gestehen. Es ging dabei ja um rechtliche Fragen. Da wurde vor Gericht gezogen, teilweise bis vor das Oberlandesgericht. Etwas Luft verschaffen konnte ich mir durch meine Inkassobefugnis, die ich mir angeeignet habe durch entsprechende Prüfung. Doch die ganzen Prozesse zeigten Wirkung und unser Geschäft kam immer weiter zum Erliegen. Es ging bergab, das muss man ganz klar sagen. Das war eine schwierige Zeit.

KL: Mit Ihrem Erfolg und dem damit verbundenen Aufstreben wurden auch die Rückschläge härter und die Fallhöhe nahm zu, sehe ich das richtig?

BG: So ist es, da kann man nichts machen. Außer eben weitermachen, durchhalten und schauen, wann und wo sich neue Gelegenheiten ergeben. Und die gibt es ja immer, solange man in Bewegung bleibt, das wusste ich ja inzwischen ganz gut. Ich habe dann viel Inkassotätigkeiten zusammen mit Anwälten gemacht, Immobilien- und Kreditvermittlungen, um über Wasser zu bleiben und Schulden zu tilgen. Ich wollte wieder auf die Beine kommen, um neu anfangen zu können.

KL: Gab es denn geschäftlich gesehen etwas, das Sie aus der ganzen Zeit mitgenommen haben, dass Ihnen die Kraft und Zuversicht gegeben hat?

BG: Auf jeden Fall. Denn der Kerngedanke war nach wie vor, die Arbeit der Kfz-Sachverständigen zu erleichtern. Ich kannte ja einige Sachverständige und ich wusste ja wie altmodisch sie arbeiten. Auf Basis meiner EDV-Kenntnisse und Erfahrungen insbesondere mit der Versicherungswirtschaft und der damit zusammenhängenden Schadens-regulierung habe ich angefangen, kleine Software-Programme für Gutachter zu schreiben, wie zum Beispiel für das Rechnungs- und Mahnwesen. Das war etwa im Jahr 91/92.

Genaugenommen haben wir damals mit als erste damit angefangen, elektronische, digitale Leistungen für Kfz-Sachverständige zu entwickeln und anzubieten. Außerdem habe ich den Sachverständigen auf Wunsch Kontokorrentkredite verschafft. Alles worin ich mich auskannte, wurde in mein Leistungsportfolio aufgenommen und angeboten.

KL: Waren Sie denn in der EDV und Software-Entwicklung, oder Programmierung wie es damals hieß, richtig sattelfest?

BG: Ich kannte mich schon aus, aber eine enorm wichtige Person war damals für mich Käthe Pegel, die ich kennengelernt hatte und die Programmiererin war. Mit ihr war ich 1993 auf der CeBIT und dort haben wir uns entschieden, eine datenbankorientierte Software zu programmieren. Wir fingen ganz langsam an, das Rechnungs- und Mahnwesen der Sachverständigen weiterzuentwickeln. Uns blieb natürlich nicht verborgen, dass die Gutachter auch bei der Erstellung der Gutachten dringend Vereinfachungen benötigten. Und so haben wir Zug um Zug eine Verbesserung nach der anderen entwickelt und programmiert. Wir haben immer gefragt was man besser machen könnte und gut zugehört. Und so ist in ganz kleinen Schritten immer mehr zusammengekommen, bis wir wussten, was die Kfz-Sachverständigen tatsächlich wollen und brauchen.

KL: Lassen Sie mich raten Herr Grimm, auch das wurde zu einer Erfolgsgeschichte?

BG: Ich sag mal so, wir waren ja was die Software-Entwicklung angeht, nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Die großen technischen Entwicklungen damals fanden ganz woanders statt. Doch wir waren auf dem Laufenden und konnten diese technischen Entwicklungen, die am Markt aufkamen, für die Kfz-Sachverständigen- und für die Versicherungsbranche gut nutzen – wie zum Beispiel die Netzwerktechnik, die Datenfernübertragung über Modem und das PDF-Format.

KL: Damals müssen EDV-Experten und Programmierer wahre Exoten gewesen sein, ich meine das war ja im Geschäftsleben vollkommen neu, oder?

BG: Sie sagen es, jeder hörte zwar von diesen technischen Entwicklungen aber so richtig den Durchblick hatten nur wenige. Aber wenn man dann mal die Gelegenheit bekam zu zeigen was möglich ist, war das meist ein großer Schritt nach vorne. Das sprach sich dann auch ganz schnell rum in der Branche.

KL: Können Sie da ein Beispiel nennen, fällt ihnen da so eine Gegebenheit ein?

BG: Eben erwähnte ich das PDF-Format. Ich erinnere mich, da bin ich mit einem schon sehr fortschrittlichen Sachverständigen-Kunden zu einem Lehrgang gefahren, der in der Ausbildungsstätte des BVSK stattgefunden hat. Noch einmal zur Erinnerung: Das Thema „Digitale Bilder“ gab es in der Branche zum damaligen Zeitpunkt so gut wie nicht. In der Regel klebten die Sachverständigen Ihre entwickelten Bilder einfach auf ein leeres Stück Papier. Wir hatten bereits Ausdrucke mit Ecken daran, je nachdem wurden dann Hochkant- oder Querformatfotos draufgeklebt. Danach hatten wir schon erste Lösungen gefunden mit Umwandlung von digital erstellten Bildern in Adobe als PDF-Formate. Und die haben wir dort vorgestellt.

KL: Wie wurde das in dem Lehrgang aufgenommen?

BG: Gelinde gesagt, zunächst sehr skeptisch. Das sei doch nicht gerichtsfest hieß es und überhaupt. Wir waren drauf und dran, die Veranstaltung frühzeitig zu verlassen. Doch zum Glück sind wir geblieben. Denn am Ende der Veranstaltung hatten sich Fragen um Fragen angehäuft und viele wollten von uns wissen, wie das jetzt genau funktioniert. Und da haben wir gemerkt: das war wieder ein Schritt in die richtige Richtung. Und so ist das dann weitergegangen bis hin zu den ersten Lösungen mit zentraler Datenbank und Anbindung von Zweigstellen mittels Modem.

KL: Ein Modem? Ich erinnere mich vage. Sie sprechen hier wirklich von einer anderen Zeit. Und konnten Sie weitere Schritte in die richtige Richtung folgen lassen?

BG: In der Tat ging es genau so weiter. Ein großes Kfz-Sachverständigenbüro in Hamburg wurde auf uns aufmerksam. Die Firma ATM-expert Dipl.-Ing. Staisch GmbH und der Geschäftsführer war ein Herr Staisch. Zum damaligen Zeitraum hatte ATM 10 oder 11 Niederlassungen im gesamten norddeutschen Raum. Der Wunsch war, diese Niederlassungen alle zentral anzubinden. Ich habe damals gesagt, ja, das machen wir, da ich davon überzeugt war. Aber das war eine richtige Herausforderung. Zusammen mit Frau Pegel und mittlerweile weiteren Mitarbeitern und Freelancern ist es uns gelungen, auch Zweigstellen anzubinden. Wir haben alles genutzt, was sich technisch entwickelt hatte und zur Verfügung stand.

KL: Microsoft war mit der Netzwerktechnologie bereits am Markt, oder?

BG: Ganz genau. Wie gesagt, die technische Entwicklung nahm Fahrt auf und schritt rasant voran. Auch mit uns ging es weiter. Herr Staisch von der ATM brachte mich mit der Schaden-Schnell-Hilfe GmbH, kurz SSH in Verbindung. Die SSH ist ein Zusammenschluss von Deutschland weit tätigen freien Sachverständigen, die unter anderem auch für alle bundesweit agierenden Versicherungen Gutachten erstellten. Von der SSH kam die Anfrage nach einem Kurzgutachten, das zentral in der SSH etabliert werden sollte. Nachdem wir das erfolgreich auf den Weg gebracht hatten, wurde ich wiederum nach Hamburg bestellt und dann zeigte mir Herr Staisch zusammen mit dem damaligen SSH-Geschäftsführer einen Brief von dem GDV (Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft).

Wie aus dem Brief hervorging, hatte der GDV vor, zukünftig für alle GDV-Mitglieder ein elektronisch- und inhaltliches System zu errichten über welches nur noch digital kommuniziert werden soll. Konkret für Sachverständige würde das bedeuten, dass zukünftig ihre Gutachten nicht per Papier und Post an die Versicherungen zu senden waren, sondern nur noch digital über das GDV-System (technisch M-Queuing). Das eindeutige Ziel des GDV war es Zeit und Geld für seine Mitgliedsunternehmen einzusparen. Bei der SSH hieß es dann, Herr Grimm, könnten Sie sich vorstellen, dass wir das auch hinbekommen mit dem elektronischen Versand von Gutachten? Ich sagte ja, das schaffen wir.

KL: Woher kam Ihre Zuversicht und Ihr Optimismus? Ich stelle mir das schwierig vor.

BG: Natürlich mussten wir dann auch Wege finden, wie wir das hinbekommen, klar. Das größte Problem war, die passenden Leute zu finden, die so etwas programmieren konnten. Ich hatte einen guten Kontakt zum Projektleiter beim GDV, der mir hilfreiche Empfehlungen gab. Mir war dann irgendwann klar, wie das technisch aufgebaut sein musste und wo und wie ich an die entsprechenden Programmierer rankomme.

KL: Was war dann der nächste Schritt?

BG: Schlussendlich konnte wir dann einen Feldversuch starten mit Herrn Staisch und Herrn Glatzel, dem Geschäftsführer des Ingenieurbüro Gaul aus Stuttgart. Stark vereinfach ging es technisch gesehen darum, dass sozusagen vom Rechner des Sachverständigen auf Knopfdruck sein Gutachten in der vom GDV vorgeschriebenen Art- und Weise direkt über den GDV zum Rechner des entsprechenden Versicherers kommt. Wenig später kam der erste Test mit der HDI Versicherung und war erfolgreich. So hat man dann eben viel ausprobiert. Aber diese Testphasen waren enorm wichtig, auch wenn sich das ganze Engagement noch nicht monetär auszahlte zu dem Zeitpunkt.

KL: Erstaunlich, wie lange das alles gedauert hat und wie Sie immer wieder aufs Neue ranmussten. Und wann wurde dann CombiPlus geboren?

BG: Ja das stimmt, im Nachhinein betrachtet, kommt mir diese Aufbauphase wie eine Odyssee vor bis wir am Ziel waren, vielmehr ein Stadium erreicht hatten, das wir ausbauen konnten. Ein wichtiger Schritt war ein Anruf der VHV Versicherung aus Hannover. Er kam für uns aus heiterem Himmel. Die VHV wurde auf unseren Feldversuch aufmerksam, den wir zuvor bei der HDI Versicherung durchgeführt hatten. Die VHV wollte genau das, was wir dort als Test praktiziert hatten, in die Praxis umsetzen. Wir sollten nach Hannover kommen. Gesagt getan. Wir sind dann alle zusammen hingefahren.

Dem bisherigen technischem Partner der VHV auf diesem Gebiet war gekündigt worden und binnen drei Monaten mussten wir die Lösung startklar haben. Das war einmal mehr eine richtig große Herausforderung. Wie bisher auch, gaben wir uns optimistisch und sagten, das bekommen wir hin. Zum damaligen Zeitpunkt traten wir als Vertreter der Firma CombiPlus auf, die offiziell in 1999 gegründet wurde. Die Aufgabenstellung der VHV an uns ging aber weit über einen elektronischen Transport von Gutachten der SSH an die VHV hinaus. Die „Haus eigenen“ Sachverständigen mussten angebunden werden. Eine Auftragssteuerung zu externen Sachverständigen musste her. Später mussten Speziallösungen für Massenschaden-Ereignisse erarbeitet werden usw.

KL: Das waren jetzt eine ganze Menge entscheidender Momente. Bedeutete das jetzt den großen Durchbruch?

BG: Also zunächst einmal gab es diesen einen großen Durchbruch nicht. Es waren viele kleine Momente und ein paar wenige größere Ereignisse oder Weichenstellungen. Einem Durchbruch am nächsten kommt vielleicht das, was als nächstes passiert ist. Die Itzehoer Versicherung kam auf uns zu und hat uns zu einer Veranstaltung eingeladen, zu der sämtliche Kollegen aus der Versicherungsbranche eingeladen waren. Es sollte eine Art Leistungsschau werden, bei der gezeigt werden sollte, zu was man technisch in der Lage war.

KL: Das müssen Sie konkretisieren, Herr Grimm.

BG: Zu diesem Zwecke sollten wir live sozusagen eine „Echtphasen-Gutachten-Simmulation“ zeigen. Dazu wurde online demonstrativ auf Knopfdruck bei einem Sachverständigen-Kunden ein Gutachten versendet mit technisch sauber angelegten Pflichtdaten. Eine Minute später traf das Gutachten mit Anhang auf einem Rechner bei der Itzehoer ein. Das war alles relativ primitiv und rudimentär für heutige Verhältnisse, aber es hat funktioniert. Das war die Hauptsache. Danach waren viele Zweifel beseitigt und die Skepsis auf Seiten der Branche größtenteils überwunden. Das war im Jahr 2003 und von da an kamen immer mehr Versicherungen dazu.

KL: Das hört sich aber jetzt tatsächlich nach einem Durchbruch an. Und nach sehr viel Arbeit.

BG: Das ist beides tatsächlich so gewesen. Von diesem Zeitpunkt an konnten wir das Geschäft ausbauen. Und über zu wenig Arbeit konnten wir uns auch nicht beklagen. Ganz im Gegenteil. Denn jetzt hatten wir die Situation, dass für die Firma CombiPlus allein zu viele Informationen und Daten zu verarbeiten waren. Aus verschiedenen Gründen war es nicht mehr sinnvoll, das alles über eine einzige Firma zu leisten. Zusammen mit Beratern kamen wir daher zu der Lösung, eine zweite Firma zu gründen – das war Combi-Connect, die sich zukünftig um den elektronischen Datenversand nach dem GDV-Schema und allen damit zusammenhängenden weiteren Dienstleistungen kümmern sollte. So ist 2003 die Firma Combi-Connect gegründet worden, deren geschäftsführender Gesellschafter ich wurde.

KL: Gab es denn geschäftlich gesehen noch diese massiven Widrigkeiten und Störmanöver wie in den Jahren davor?

BG: Der Erfolg blieb natürlich nicht ungesehen und rief immer wieder Neider auf den Plan, die versucht haben, uns einem Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Allerdings waren wir nun mal der Trendsetter. Von der Pike auf hatten wir uns emporgearbeitet.

KL: CombiPlus zusammen mit Combi-Connect – „Das Original“ sozusagen?

BG: So habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber ja, im Grunde genommen trifft das zu. Über Jahrzehnte hinweg hatten wir viel gewagt und Erfahrungen gesammelt. Wir standen erstmals einigermaßen solide und mit Perspektive da. Die lange, bewegte Aufbauphase war abgeschlossen und sorgte für genügend Stabilität, auch mit festen Verträgen, so dass es ab 2003 stetig aufwärts ging.

KL: Ab wann kamen ihre Söhne Stefan und Sebastian mit ins Geschäft?

BG: Da muss ich etwas ausholen. Bereits ab1995 interessierte sich Stefan immer mehr für das was in meinen verschiedenen Firmen gearbeitet wurde. Er schaffte sich Schritt für Schritt in die Materie hinein und wurde dann auch angestellt. Im Jahr 2003 habe ich ihn zu mir in die CombiPlus-Geschäftsführung berufen und ich kümmerte mich federführend um die Geschäfte von Combi-Connect. Ab 2007 habe ich mich dann bei CombiPlus zurückgezogen und Stefan hat als alleiniger Geschäftsführung weitergemacht.

Hinzu kamen zahlreiche neue Mitarbeiter, die zu beiden Firmen hinzugekommen sind. Auf einmal hatten wir ein Gehaltsgefüge, das erstmal erwirtschaftet werden musste. Eine enorm wichtige Entscheidung war es daher, dass die SSH sich entschieden hatte, alle Sachverständigen-Mitglieder mit der Software von CombiPlus auszustatten. Der Grund für diesen Schritt lag darin, dass nur so eine technisch einwandfreie Lösung für die SSH möglich gewesen ist. So manchem Wettbewerber hat das verständlicherweise nicht gefallen. Über spezielle Schnittstellen war es für die Gutachter dennoch möglich, auch ohne Software von CombiPlus zu arbeiten, doch im Laufe der Zeit wechselten immer mehr Kfz-Sachverständige zu CombiPlus, da es nicht nur mit der SSH einfacher war zu arbeiten, sondern auch mit den Versicherungen. Das war auf jeden Fall auch eine ganz entscheidende Weichenstellung.

Im Jahr 2008 trat auch mein Sohn Sebastian ins Unternehmen ein. Er arbeitete sich sehr schnell in alle Bereiche der beiden Unternehmen ein und unterstütze mich in der Geschäftsleitung von Combi-Connect. So langsam wurde mir auch aus Altersgründen klar, dass meine Zeit als Geschäftsführer jetzt überschaubar ist und ich mich auf absehbare Zeit von den aktiven Geschäften zurückziehen kann. In diesem Sinne wurden die rechtlichen und finanziellen Themen wieder unter der Mitarbeit von Anwalt und Steuerberater geregelt und die Geschäfte an meine beiden Söhne übergeben. Auf den 01.01.2015 bin ich aus den beiden Unternehmen ausgeschieden und eine neue Episode und Zeitrechnung konnte beginnen.

KL: Herr Grimm, wir kommen so langsam ans Ende unseres Gesprächs. Welche Erfolgsfaktoren würden Sie zusammenfassend als ausschlaggebend bezeichnen?

BG: Rückblickend fallen mir mehrere Erfolgsfaktoren ein, ohne die ich das alles hätte niemals schaffen können. Allen voran muss ich da meine Frau anführen. Ohne sie wäre das vor allem in der Aufbauphase – mit den immer wiederkehrenden finanziellen Engpässen und den damit zwangsläufig verbundenen emotionalen Talsohlen – nicht gegangen. Das muss man schon noch einmal klar sagen: es gab mehrere Momente, da stand ich so mit dem Rücken zur Wand, dass ich kurz davor war, alles aufzugeben. Und da hat mich meine Frau immer unterstützt und stand an meiner Seite. Durch ihre Anstellung als Lehrerin hatten wir auch als Familie durch sie eine kontinuierliche finanzielle Basis und Sicherheit.

KL: Das ist sehr berührend, wenn Sie das sagen.

BG: Ich sage lediglich, wie es ist Frau Lafferenz. Ein weiterer entscheidender Faktor, der mit ins Spiel kommt, ist Glück. Ohne eine gewisse Portion Glück wäre das alles auch nicht möglich gewesen. Im richtigen Moment habe ich stets die richtigen Menschen getroffen und es taten sich dadurch Chancen auf. Das kann man nicht planen. Eine ebenfalls wichtige Erfolgskomponente ist die Geradlinigkeit und Disziplin, mit der ich den gesamten Weg zurückgelegen konnte. Sicher, das eine oder andere Mal musste ich mich auch hinterfragen, aber im Grunde genommen war ich meiner Linie immer treu. Es ging immer weiter, weil wir immer weitergemacht haben. Und weil wir immer wussten, was wir wollten und wohin wir wollten. Fairness ist ein weiterer Faktor. Ich habe mich immer bemüht fair zu sein, sowohl nach innen zu Mitarbeitern als auch extern gegenüber Branchenteilnehmern.

KL: Eine abschließende Frage noch Herr Grimm: Wie sehen Sie, mit Abstand betrachtet, die Zukunft der beiden Unternehmen CombiPlus und Combi-Connect?

BG: Also zunächst einmal sehe ich viel von dem was mir wichtig war auf meinem Weg auch bei meinen Söhnen, die das Geschäft solide und kontinuierlich ausgebaut haben und nochmal auf eine ganze neue Ebene geführt haben. Sie machen das jeweils auf ihre eigene Art und Weise erfolgreich. Vor allem aber verstehen sie sich als Brüder und „Unternehmer aus Leidenschaft“, wie sie sich öfter mal bezeichnen, sehr gut untereinander. Konsequenterweise führt dieses gemeinsame menschliche Verständnis und das Verstehen der gesamten Branche mit all ihren Eigenheiten und Möglichkeiten zu einem verstärkten immer Zusammenwachsen der Leistungen beider Firmen. Ich sehe da CombiPlus und Combi-Connect auf einem sehr guten Weg. Aber dazu werden meine Söhne zu gegebener Zeit sicher mehr sagen, so wie ich sie kenne.

KL: Herr Grimm, ich bedanke mich für das lebendige und aufschlussreiche Gespräch – und für diese Zeitreise.

BG: Gerne geschehen Frau Lafferenz, es war auch für mich sehr interessant, alles noch einmal Revue passieren zu lassen.

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